
Pohl 🇩🇪
Inhalt
Für das Römermuseum „Limeskastell Pohl“ haben wir ein Modell eines römischen Wachturms gebaut, das zeigen soll, wie so ein Turm um 100 n. Chr. ausgesehen haben könnte. Dazu hier unser ausführlicher Baubericht!
*3. Bild: Stephan Dingens
Limeskastell Pohl
Das Limeskastell Pohl ist ein römisches Freilichtmuseum mit begehbarer Rekonstruktion eines Holz-Erde-Kastells und Wachturms. Es zeigt die Situation um 100 n. Chr. am Obergermanisch-Rätischen Limes, jener Grenzlinie, die das Römische Reich jahrhundertelang von den germanischen Stammesgebieten trennte.
Die Anlage wurde 2011 nach aktuellem Forschungsstand errichtet. Anders als die bekanntere Saalburg, deren Wiederaufbau um 1900 stark von wilhelminischer Vorstellung geprägt ist. Der Nachbau steht nahe der Fundstelle eines Kleinkastells. Der ursprünglich abgesetzte Turm wurde für den Museumsbetrieb in die Gesamtanlage integriert.
Als Teil des UNESCO-Welterbes Obergermanisch-Rätischer Limes vermittelt das Kastell römische Militärarchitektur unmittelbar erlebbar. Zum 20-jährigen Jubiläum des Welterbe-Status wurde im Turm eine neue Ausstellung über heutige Rekonstruktionen und den Welterbegedanken realisiert. Und wir durften Teil davon sein.
Ancient Tracks meets Team Würfelkrieg
Dieses Modellbauprojekt verbindet zwei Seiten von uns: Als Ancient Tracks beschäftigen wir uns mit Geschichte, Reisen und Reenactment, organisieren Camps und begleiten historische Projekte. Gleichzeitig sind wir unter dem Namen Team Würfelkrieg als Wargamer und Modellbauer aktiv mit viel Liebe zum Detail.
Das Wargaming-Hobby dreht sich um das Sammeln, Bemalen und Basteln von Miniaturen, den Bau von Spiellandschaften und das Spielen taktischer Gefechte – oft mit historischem Hintergrund. Für uns ist es eine kreative Art, Geschichte im Kleinen erlebbar zu machen. Manche kennen vielleicht die bekannteste Marke in der Szene: Warhammer, das für viele der Einstieg in die Miniaturenwelt war.
Beim Bau des Turmmodells für das Limeskastell Pohl konnten wir beides einbringen: unsere Erfahrung mit römischer Geschichte und Darstellung – und unser handwerkliches Können im Maßstab. Ein echtes Crossover-Projekt, das beide unserer Welten zusammenbringt.
Unterstützt wurden wir dabei von Torsten, mit dem wir nicht nur jährlich die CONflict veranstalten, sondern schon viele gemeinsame Geländebauprojekte umgesetzt haben – vom „24 Hours in Benghazi“-Szenario bis hin zu einer komplett selbstgebauten Favela. Wir sind ein eingespieltes Team und bringen unsere Stärken regelmäßig in aufwändige, detailverliebte Projekte ein.
*4. Bild: Stephan Dingens
Das Konzept
Das Limeskastell Pohl trat an uns heran mit dem Wunsch, ein maßstabsgetreues Modell des dort rekonstruierten Wachturms für die neue Ausstellung zu bauen. Mit dem Museum verbindet uns bereits eine längere Zusammenarbeit, bisher allerdings vor allem im Bereich Fotografie. Thomas Steffen, Leiter des Kastells, kennt aber auch unser Hobby und unsere Arbeit als Team Würfelkrieg und wusste, dass wir genau die richtigen für dieses Projekt sind.
Am Anfang stand eine ganz praktische Frage: In welchem Maßstab soll das Modell gebaut werden? Das Museum stellte uns ein Podest von 60 × 60 cm zur Verfügung, gleichzeitig erhielten wir die originalen Baupläne der Pohler Rekonstruktion. Nach einigen Tests und Berechnungen entschieden wir uns für den Maßstab 1:25. Dieser Maßstab erlaubt nicht nur eine präzise Darstellung architektonischer Details, sondern auch von Kleinigkeiten wie Möhren, Werkzeugen oder Geschirr. Zudem konnten wir so Teile des umgebenden Geländes mitsamt Graben und Palisade zumindest im Anschnitt darstellen. Gleichzeitig lässt sich im Maßstab 1:25 alles gut berechnen und skalieren. Das ist besonders geeignet für unser hybrides Vorgehen aus klassischem Modellbau und digitalen Techniken.
Da das Modell im Museum frei zugänglich und ohne schützende Abdeckung ausgestellt wird, musste es besonders stabil sein. Deshalb entwickelten wir ein tragfähiges Skelett aus 3D-Druckteilen. Unser Ziel war es, klassische Handarbeit mit Holz, Styrodur und Feinputz mit moderner Technik wie 3D-Modellierung, Scans, KI-Grafiken und 3D-Druck zu verbinden.
Äußerlich und insbesondere im Erdgeschoss haben wir uns möglichst eng an der Pohler Rekonstruktion orientiert. Das Modell wird im rekonstruierten Turm selbst ausgestellt, daher war ein hoher Wiedererkennungswert besonders wichtig.
Eine besondere Herausforderung stellte das Innenleben dar. Während das äußere Erscheinungsbild bereits auf theoretischen Annahmen basiert, ist das Innere noch spekulativer. Was ist ein glaubwürdiges Innenleben eines Wachturms um 100 n. Chr.? Welche Einrichtung passt in welchen Stock? Und was wirkt stimmig, ohne zur Kulisse zu werden?
Wir haben uns bei der Konzeption an aktueller Fachliteratur orientiert, in Rücksprache mit Dr. Jenni Schamper, und wo es keine sicheren Erkenntnisse gibt, an nachvollziehbarer Logik aus dem modernen Soldatenalltag.
Der Bau
Der Bau des Modells gliederte sich in drei große Abschnitte, von denen die ersten beiden weitgehend parallel stattfanden. Zunächst übertrugen wir gemeinsam das Konzept auf die Grundplatte. Diese bestand aus zehn Zentimeter dickem Styrodur. Vielen eher bekannt als Dämmmaterial, im Modellbau hat es sich jedoch seit langem bewährt und ist vielseitig einsetzbar. Parallel dazu startete der Druck des konstruierten Turmskeletts aus PLA, das wir etagenweise in unserer Werkstatt fertigten.
Abschnitt 1 & 2: der Turm und das außengelände
Abschnitt eins umfasste das Außengelände, insbesondere den Graben und die Palisade. Hier lag die Hauptarbeit bei Torsten, der diesen Teil in seiner Werkstatt umsetzte. Die Erdoberfläche wurde mit Feinputz modelliert und verspachtelt, um eine realistische Bodenstruktur zu erzielen.
Währenddessen arbeiteten wir an Abschnitt zwei – dem eigentlichen Turm. Sobald das gedruckte Skelett stand, begannen wir von unten nach oben mit dem Ausbau. Die Böden wurden aus Holz beplankt, bemalt und angeschliffen, um Abnutzung und Struktur sichtbar zu machen. Die Wände entstanden aus dünnen Styrodurplatten, die wir strukturierten und mit Putz behandelten. Für die Natursteinmauer im Erdgeschoss nutzten wir eine Strukturierrolle, die oberen Stockwerke ritzten wir mit Lineal und Messer von Hand ein. Nach dem Bemalen wurden die roten Fugen mit speziellen Stiften hervorgehoben.
Anschließend folgten Fenster- und Türstürze sowie die umlaufende Galerie. Beim Dach verzichteten wir aus Stabilitätsgründen auf das innere Holztragwerk, das im Original zu sehen ist, und deuteten es nur an. Die Darstellung der Schieferdeckung im Maßstab 1:25 stellte eine besondere Herausforderung dar. Nach einiger Recherche entschieden wir uns auch hier für eine 3D-gedruckte Lösung: Wir konstruierten schmale Streifen, druckten sie aus und deckten damit das Dach reihenweise. Zum Schluss haben wir auch noch ein paar Spuren des Alltags ergänzt. Auf dem Dach findet sich zum Beispiel eine kleine Hinterlassenschaft gefiederter Besucher.
Immer wieder kamen wir bei gemeinsamen Arbeitstreffen zusammen, um die beiden parallel entstandenen Teile zu verbinden und aufeinander abzustimmen. Ein solcher Moment war zum Beispiel die gemeinsame Gestaltung der Begrünung rund um die Bodenplatte.
Um dem gesamten Modell eine glaubwürdige Alterung zu verleihen, haben wir nahezu alle Oberflächen mit Pigmenten behandelt. So entstand ein leicht verwitterter, staubiger Look, der den Eindruck von Zeit und Nutzung verstärkt ohne übertrieben zu wirken.
Abschnitt 3: Details
Mit dem dritten Bauabschnitt kamen wir zu dem Teil, der uns am meisten Freude bereitet: den Details. Hier konnten wir das Modell mit Leben füllen, Atmosphäre schaffen und unsere ganze Erfahrung im Miniaturenbau einbringen.
Den Anfang machte der Keller. Da wir uns hier direkt an der begehbaren Rekonstruktion im Pohler Turm orientieren konnten, war die Gestaltung relativ klar. Wir richteten ihn als Lagerraum ein und statteten ihn mit Amphoren, Vorräten und Kisten aus. Diese Objekte entstanden wie viele andere entweder klassisch von Hand oder wurden eigens als 3D-Modelle konstruiert und gedruckt, je nachdem, was sich besser eignete.
In den oberen Stockwerken folgte dann die eigentliche Ausstattung. Zunächst bauten wir die Möbel: Bett, Tisch, Stühle, Regale und eine einfache Kochstelle. Dazu kamen zahlreiche kleinere Gegenstände des täglichen Gebrauchs: Lebensmittel, Geschirr, Töpfe, Werkzeuge, Öllampen. Auch hier entstand vieles digital, teils nach historischen Vorlagen, teils aus logischer Ableitung des Soldatenalltags heraus konstruiert und anschließend im 3D-Druck umgesetzt.
Uns ging es nicht darum, möglichst viel hineinzustellen, sondern die Räume glaubhaft und funktional zu gestalten. Besonders die kleine Küche sollte zeigen, wie dort tatsächlich gearbeitet wurde: mit wenig Platz, aber klarer Ordnung. An zwei Wänden haben wir außerdem Graffiti ergänzt, kleine Kritzeleien wie sie auch im echten Soldatenalltag ihren Platz gehabt haben könnten.
Auch die militärische Funktion des Turms sollte deutlich werden. Wir stellten ein einfaches Fackelgestell dar, das der Signalgebung diente, und platzierten auf der Galerie Steinhaufen zur Verteidigung. Denn bei der beengten Fläche wäre der Einsatz von Speeren, Schleudern oder Bögen kaum möglich gewesen.
Die Raumaufteilung folgt dieser Doppelfunktion: unten der Wohnbereich, darüber die Wachstube.
Am Ende entstand ein Innenleben, das zeigt, wie sich römisches Soldatenleben am Limes wirklich angefühlt haben könnte.
Die Miniaturen
Ein besonderes Detail des Modells sind die Miniaturen. Sie zeigen nicht einfach anonyme Figuren, sondern vertraute Gesichter. Abgebildet sind wir drei Modellbauer: Torsten, Tobi und Evi. Für die Darstellung der Turmbesatzung benötigten wir aber insgesamt vier männliche Auxiliarsoldaten. Da Tobi und Evi zum Kernteam des Limesmarsches 2023 gehören, der ebenfalls in der Ausstellung mit Fotos und einem Video vertreten ist, lag eine Entscheidung nahe: Wir ergänzten die Gruppe um Tommes und Michl, das restliche Kernteam des Limesmarsches.
So entstand eine kleine Szene mit persönlichem Bezug und Wiedererkennung für alle, die sich auch die begleitenden Medien in der Ausstellung ansehen.
Für die Umsetzung nutzten wir Fotos, KI-Unterstützung und unsere Erfahrung mit digitaler 3D-Modellierung. Die Figuren wurden individuell angepasst, im Maßstab 1:25 gedruckt und anschließend mit Airbrush und Pinsel bemalt. Der Blick fürs Detail, den wir aus dem Wargaming-Bereich mitbringen, floss auch hier mit ein.
Neben den Menschen erschufen wir außerdem ein Maultier, drei Hühner und einen Falken. Die ersten als typische Nutztiere am römischen Limes, der Vogel als Symbol für Aufmerksamkeit und Fernsicht.
Das Ergebnis ist mehr als bloße Dekoration. Es macht das Modell lebendig und zeigt zugleich die Menschen, die es mit aufgebaut haben.
Fazit
Das fertige Modell zeigt nicht nur, wie ein Wachturm am Limes um 100 n. Chr. ausgesehen haben könnte. Es verbindet Forschung, Handwerk, Kreativität und persönliche Geschichte. Wer genau hinsieht, erkennt viele kleine Details und vielleicht auch ein bekanntes Gesicht.
Besonders herausfordernd war der hohe Anspruch an Genauigkeit, den wir an uns selbst gestellt haben. Auch der bewusste Materialmix, kombiniert aus klassischen Modellbaustoffen und moderner Technik, stellte uns vor Aufgaben. Das galt besonders im Hinblick auf die Umgebungsbedingungen im Ausstellungsraum mit Licht, Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Natürlich hätte man das Projekt auch mit weniger Aufwand umsetzen können. Aber genau das wollten wir nicht. Uns reizte die Möglichkeit, auszuprobieren, was alles machbar ist.
Die Zusammenarbeit und Freundschaft mit dem Limeskastell Pohl besteht schon seit vielen Jahren und lebt von einer gemeinsamen Idee: Geschichte soll erlebbar und greifbar werden. Das haben wir bisher auch schon mit einigen Projekten umgesetzt, und das Turmmodell bot uns nun die Gelegenheit, diesen Ansatz in eine neue Dimension zu übertragen: dreidimensional, maßstabsgetreu und mit viel Herzblut.
Das Modell ist Teil der neuen Ausstellung im Turm des Limeskastells Pohl und kann dort während der Öffnungszeiten besichtigt werden.
*8. & 11. Bild: Stephan Dingens
Das Modell auf einen Blick
Austellungsort:
Limeskastell Pohl, Ausstellung im Wachturm
Maßstab:
1:25
Grundfläche:
60 × 60 cm
Höhe des Modells:
ca. 70 cm (inkl. Bodenplatte)
Bauzeit:
ca. 4 Monate
Materialien:
Styrodur, Holz, Plastikkarton Feinputz, PLA (3D-Druck), Resin, Farben, Pigmente, uvm.
Beteiligte:
Ancient Tracks × Team Würfelkrieg
Evelien, Tobias, Torsten
mit Unterstützung von Dr. Jennifer Schamper (fachliche Beratung)